Erneute Forderung: Persönliche Kontakte im Sinne der aufsuchenden Jugendarbeit sicherstellen
Am 06.01.2021 haben sich landesweite Träger erneut an Verantwortungsträger in Sachsen gewandt mit dem dringenden Anliegen, die Angebote der Leistungsbereiche der §§ 11 - 14 und § 16 SGB VIII mit der neuen SächsCoronaSchVO wieder zu ermöglichen.
In einem Schreiben vom 16.12.2020 wiesen wir bereits auf die Notwendigkeit hin, dass Kontakte zu Fachkräften und Ansprechpersonen möglich sein müssen, um junge Menschen in dieser für sie sehr schwierigen Zeit zu unterstützen.
Wir schrieben im Dezember (inklusive Formulierungsvorschlag unsererseits):
bezugnehmend auf die seit dem 15.12.2020 gültige SächsCoronaSchVO machen wir als sächsische Jugendhilfeträger auf unbedingt notwendige Änderungen aufmerksam. Die Grundintention, die weitere Ausbreitung des Virus zu verhindern und damit Menschenleben zu retten, teilen wir und damit auch die hierzu getroffenen Anordnungen, insbesondere die Regelung, dass Angebote der Kinder- und Jugendhilfe ohne pädagogische Betreuung untersagt sind.
Allerdings werden mit der ebenfalls geregelten Schließung von Angeboten der Leistungsbereiche §§11-14 sowie 16 SGB VIII den Kindern und Jugendlichen wichtige Anlaufstellen verwehrt. So werden persönliche Kontakte zu Fachkräften und Ansprechpersonen unterbrochen, die insbesondere mit Blick auf Kindeswohlgefährdung dringend notwendig sind.
Wir interpretieren die Bestimmungen des § 4 (16) SächsCoronaSchVO so, dass auch die Staatsregierung die Sicherung des Kindeswohls im Blick hat und dabei die mobile, aufsuchende Kinder- und Jugendarbeit als wirksamen Ansatz betrachtet. Aus unserer Sicht muss dieser Ansatz allerdings durch die Fachkräfte aller Leistungsbereiche (§§11-14, 16 SGB VIII) umgesetzt werden. Wir empfehlen bis zur Überarbeitung/Änderung der aktuellen Verordnung diesbezüglich eine Präzisierung der Intentionen Ihres Hauses über die FAQ wie folgt herzustellen:
"Die Regelungen folgen dem Ziel, notwendige Maßnahmen zur Bewältigung der Pandemie mit dem gesetzlichen Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe in Einklang zu bringen. Die Sicherung des Kindeswohls und die Verhinderung weiterer Infektionen haben oberste Priorität. Die Fachkräfte der Leistungsbereiche §§ 11-14 und § 16 SGB VIII sollen weiterhin zur Verfügung stehen und Hilfs- sowie Unterstützungsangebote vorhalten, die neben Onlineangeboten wie folgt beschrieben möglich sind: Für alle Einrichtungen und Angebote der genannten Leistungsparagraphen sind persönliche Kontakte im Sinne der aufsuchenden Jugendarbeit möglich, insbesondere dann, wenn sie der Wahrung des Kindeswohls dienen. Diese Kontakte sind auf das zwingend notwendige Maß zu reduzieren; wann immer möglich und fachlich verantwortbar, ist eine kontaktlose Kommunikation zu bevorzugen. Sofern im Falle von drohender/vermuteter Kindeswohlgefährdung auf persönlichen Face-to-Face-Kontakt wie z. B. Beratungs-/Krisengespräch nicht verzichtet werden kann, sind die vorgeschriebenen Hygienekonzepte/-maßnahmen der Einrichtungen einzuhalten."
Auch bundesweit wird der Ruf danach laut, dass die Angebote der Kinder- und Jugendhilfe offen bleiben müssen, um die Rechte von Kindern und jungen Menschen zu sichern. Diesen Aufruf haben namhafte Wissenschaftler*innen sowie Verbände und Projekte der Praxis unterschrieben (im Anhang). Folgende Forderungen werden aufgemacht:
- "Kinder und Jugendliche brauchen Orte, an denen sie sicher sind und ihre Zeit kinder- und jugendgerecht verbringen können!
- Jungen Menschen müssen soziale Beziehungen ermöglicht werden!
- Die Kinder- und Jugendhilfe muss offensiv auf die Kinder, Jugendlichen und Familien zugehen. Altersgerechte Informationen und digitale Kommunikationsformen sind jetzt
notwendig! Bund und Länder müssen die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass alle Einrichtungen über ausreichende digitale Möglichkeiten verfügen, um mit jungen Menschen und Familien in Kontakt zu bleiben! - Keine „Abschottung“ von Kindern und Jugendlichen in Wohngruppen, Heimen und Pflegefamilien! Das gilt umso mehr für Kinder mit Behinderung, die fast ganz aus dem Blick geraten sind.
- Die Kinder- und Jugendhilfe muss in die Teststrategie des Bundes aufgenommen werden!
- Die nach wie vor hohe Belastung der Fachkräfte in der Kinder- und Jugendhilfe muss stärker in den Blick der Öffentlichkeit! Wertschätzung und finanzielle sowie personelle Unterstützung sind notwendig!
- Ein reines Notprogramm in diesem Lockdown ist zu wenig! Kinder- und Jugendhilfe als Infrastruktur des Aufwachsens aufrechterhalten!
Die Unterzeichner*innen dieses Aufrufs setzen sich dafür ein, dass auch unter den Bedingungen des Infektionsschutzgesetzes den Bedürfnissen und Rechten von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen deutlich mehr Beachtung geschenkt wird. Das muss auch im Krisenmanagement für den Schutz und für ein gesundes Aufwachsen junger Menschen im Alltag spürbar und erkennbar sein. Es geht nicht mehr nur um ein paar Wochen, sondern auch darum, die Kinder- und Jugendhilfe für das Jahr 2021 gut aufzustellen."
Wir bedanken uns für die Zusammenarbeit und würden uns freuen, wenn unsere vorgeschlagenen Änderungen im Sinne der Interessen von Kindern und Jugendlichen aufgenommen werden können.
Mandy Wiesner, Sächsische Landjugend e.V.
Olaf Boye, Deutscher Kinderschutzbund Landesverband Sachsen e.V.
Anke Miebach-Stiens, AGJF Sachsen e.V.
Susann Böhme, Landesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit Sachen e.V.
Simone Stüber, LAK Mobile Jugendarbeit Sachsen e.V.
Uwe Majewski, Aktion Jugendschutz Sachsen e.V.
Hardy Spitzner, LV KiEZ Sachsen e.V
Katrin Schröter - Hüttich, LAG Mädchen und junge Frauen Sachsen e.V.